
Keine Schutzräume, nur 1 Prozent Notunterkünfte – BSW-Fraktion kritisiert Sachsens Krisenvorsorge
Die Antwort der Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage des Sprechers für Brandschutz, Rettungsdienst, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz der BSW-Fraktion Jens Hentschel-Thöricht (Drs.: 8/3765) im Sächsischen Landtag offenbart gravierende Lücken in der Krisenvorsorge des Freistaats. Nach Auskunft des Innenministeriums gibt es derzeit keine öffentlichen Schutzräume in Sachsen. Zudem stehen nur rund 40.000 Notfall-Unterbringungsplätze zur Verfügung – das entspricht lediglich etwa 1 Prozent der Bevölkerung. Erschwerend kommt hinzu, dass Sachsen bislang über keine eigene Resilienzstrategie verfügt. Ein erster Entwurf einer solchen Strategie ist laut Innenministerium erst im zweiten bis dritten Quartal 2026 zu erwarten – viel zu spät, kritisiert die BSW-Fraktion.
Fehlende Schutzräume – Bevölkerung ohne Schutzorte im Ernstfall
Das Innenministerium verweist darauf, dass der Bund für den baulichen Zivilschutz zuständig sei und nach 1990 keine Schutzräume in Sachsen erhalten wurden. Faktisch steht der Bevölkerung im Freistaat damit kein einziger öffentlicher Schutzraum zur Verfügung. Im Ernstfall gäbe es also keinen staatlich bereitgestellten Schutzbunker oder vergleichbaren Rückzugsort für die Bürger. Jens Hentschel-Thöricht, Landtagsabgeordneter der BSW-Fraktion, nennt diesen Zustand alarmierend und fordert das Land auf, nicht länger untätig auf Bundeskonzepte zu warten.
„Sachsen darf die Verantwortung für den Schutz seiner Bürger nicht einfach nach Berlin abschieben. Wir brauchen dringend eigene Konzepte und Übergangslösungen, um im Krisenfall Schutzmöglichkeiten bereitzustellen“, so Hentschel-Thöricht.
Nur 1 Prozent Notunterkunftsplätze – Versorgungsengpass vorprogrammiert
Bereits seit 2015 gilt die Vorgabe, Notunterkünfte für mindestens 1 Prozent der Bevölkerung vorzuhalten. Das sind in Sachsen etwa 40.000 Plätze bei rund 4 Millionen Einwohnern. Diese Minimalvorgabe wird auch nur knapp erreicht – eine aktuelle Aufschlüsselung der Kapazitäten in den Landkreisen konnte die Staatsregierung in der kurzen Antwortfrist nicht liefern. Für 99 Prozent der Bürger gäbe es im Katastrophenfall somit keinen staatlich organisierten Unterbringungsplatz. Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, hatte jüngst gewarnt, dass derzeit „nicht einmal für ein bis zwei Prozent der Bevölkerung […] eine Notfallbetreuung gesichert“ sei. „Diese Zahl ist erschreckend niedrig – und Sachsen bewegt sich hier am unteren Rand“, warnt Hentschel-Thöricht. Der BSW-Abgeordnete betont, dass Kommunen und Hilfsorganisationen im Krisenfall nicht allein gelassen werden dürfen. „Ohne ausreichende Kapazitäten und Unterstützung laufen unsere Gemeinden Gefahr, bei großen Schadenslagen völlig überfordert zu sein“, so Hentschel-Thöricht.
Resilienzstrategie fehlt – Kritik am zögerlichen Handeln
Ein weiterer Kritikpunkt ist das Fehlen einer sächsischen Resilienzstrategie. Bislang gibt es kein landesweites Gesamtkonzept, um die Krisenfestigkeit (Resilienz) der Gesellschaft und der kritischen Infrastrukturen systematisch zu stärken. Erst 2026 stellt die Staatsregierung einen ersten Entwurf einer solchen Strategie in Aussicht – laut Innenminister Armin Schuster frühestens im zweiten oder dritten Quartal 2026. Aus Sicht der BSW-Fraktion ist dieses Zögern unverantwortlich. „Angesichts aktueller Bedrohungen – ob Naturkatastrophen, Pandemien oder andere Krisen – können wir nicht noch jahrelang auf ein Landes-Konzept warten“, mahnt Hentschel-Thöricht. Zwar verweist das Innenministerium auf einzelne Schritte wie die Förderung neuer Sirenen und modernisierte Katastrophenschutz-Technik, jedoch ersetzt kein solcher Stückwerk-Ansatz eine umfassende Strategie. In ihrer Antwort betont die Regierung zudem die Eigenvorsorge der Bürger und die gesetzliche Zuständigkeit der Gemeinden für den Selbstschutz. „Natürlich sollen Bürger vorbereitet sein. Aber die Landesregierung darf sich nicht hinter Paragrafen verstecken und die Kommunen bei der Vorsorge alleine lassen“, kritisiert Hentschel-Thöricht.
Hentschel-Thöricht fordert umfassendes Maßnahmenpaket
Angesichts der offenbarten Defizite in Sachsens Vorsorge- und Schutzinfrastruktur fordert die BSW-Fraktion ein schnelles und entschlossenes Gegensteuern durch die Staatsregierung. Konkret schlägt Hentschel-Thöricht folgende Schritte vor:
- Eigene Resilienzstrategie entwickeln: Der Freistaat Sachsen soll unverzüglich eine landeseigene Resilienzstrategie erarbeiten, um Bevölkerung und Infrastruktur besser auf Krisenfälle vorzubereiten – und darf nicht bis 2026 auf den Bund warten.
- Investitionen in den Bevölkerungsschutz erhöhen: Es braucht mehr finanzielle Mittel für Katastrophenschutz und Zivilschutz – von moderner Ausrüstung über zusätzliche Fahrzeuge und Notfalltechnik bis hin zu mehr Personal und Trainings für Einsatzkräfte.
- Kommunen besser ausstatten: Die Städte und Landkreise benötigen ausreichende Ressourcen, um ihre gesetzlichen Aufgaben im Katastrophenschutz zu erfüllen. Das Land muss die kommunalen Katastrophenschutzbehörden und freiwilligen Helfer (z.B. Feuerwehren, Hilfsorganisationen) mit einer verlässlichen Grundfinanzierung und moderner Ausstattung unterstützen.
- Landesweite Koordination stärken: Die Staatsregierung muss eine stärkere koordinierende Rolle übernehmen. Alle relevanten Akteure – Kommunen, Landesbehörden, Bundesstellen und Hilfsorganisationen – sind an einen Tisch zu bringen, um Notfallpläne abzustimmen, Verantwortlichkeiten klar zu verteilen und Doppelstrukturen zu vermeiden. Eine zentrale Koordinierungsstelle auf Landesebene könnte die Vorbereitungsmaßnahmen bündeln und überwachen.
„Unsere Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass der Staat sie im Krisenfall schützen kann“, betont Hentschel-Thöricht abschließend. Die BSW-Fraktion werde das Thema Krisenvorsorge deshalb aktiv im Landtag vorantreiben. „Wir erwarten von der Staatsregierung jetzt Taten statt Ausreden – damit Sachsen für künftige Notfälle deutlich besser gewappnet ist.“

