Pressestatement zum Tag der Deutschen Einheit – Von alten und neuen Mauern
Anlässlich des Tages der Deutschen Einheit führt Sabine Zimmermann, Vorsitzende der BSW-Fraktion im Sächsischen Landtag, aus:
„Am 3. Oktober feiern wir die Wiedervereinigung Deutschlands – einen historischen Triumph, der Millionen Menschen Hoffnung gab. Damals fiel eine Mauer aus Beton, Familien wurden wieder vereint, ein Land wuchs zusammen. Es war ein Sieg der Einheit über die Teilung, ein Tag, der den Glauben an eine gemeinsame Zukunft nährte.
Doch drei Jahrzehnte später müssen wir feststellen: Die politische Einheit mag erreicht sein, die soziale Einheit ist es nicht. Heute wachsen neue Mauern – unsichtbar, aber spürbarer denn je: Mauern aus Ungerechtigkeit, aus Armut, aus Perspektivlosigkeit. Sie trennen die da oben, die reden und philosophieren, von den Menschen hier unten, die schuften, verzichten und am Ende doch zu wenig haben. Von einer Einheit, die Zukunft trägt, kann keine Rede sein.
Vor kurzem erzählte mir eine Rentnerin, dass sie ihre Wohnung kaum noch heizt. Lieber zieht sie ihre selbstgestrickte Jacke über, anstatt das Thermostat hochzudrehen. Denn sonst reicht das Geld am Monatsende nicht mehr. Ein ganzes Arbeitsleben lang hat sie geschuftet, eingezahlt, Verzicht geübt und steht nun im Alter vor der Wahl: Wärme oder Essen. Diese Worte treffen mitten ins Herz und spiegeln doch die bittere Realität.
Gleichzeitig erzählt uns die Regierung von einem sogenannten Sondervermögen. Ein Wort wie aus dem Märchenbuch, das nach Sicherheit und Fülle klingt. In Wahrheit steckt jedoch nichts als ein riesiger Schuldenberg dahinter, den nicht die Verursacher, sondern unsere Kinder und Enkel schultern müssen! Früher blieb der arbeitenden Bevölkerung wenigstens noch ein Stück vom Kuchen, heute bleiben nicht einmal die Krümel.
Zusätzlich schließen immer mehr Betriebe, gerade auch im Osten und in Sachsen. Für viele Beschäftigte ist das ein bitteres Déjà-vu: Schon wieder stehen Arbeitsplätze auf der Kippe. Bis heute sind zahlreiche Betriebe nur verlängerte Werkbänke – die Entscheidungen und Gewinne werden im Westen gemacht, produziert wird im Osten. Und nun soll ausgerechnet die Rüstungsindustrie unsere Wirtschaft retten. Welch ein Irrsinn! Wollen wir denn wirklich mehr Rüstungsproduktion ins Land holen, die im Kriegsfall ein exponiertes Angriffsziel darstellt?
Kein Wunder also, dass die junge Generation unruhig und laut wird. Sie engagieren sich, stemmen steigende Kosten und müssen trotzdem erleben, wie ihre Zukunft verspielt wird. Sie sehen, wie Löhne stagnieren, aber Krankenkassenbeiträge steigen und Arzttermine zur Mangelware werden. Dazu leben sie teilweise noch in Regionen, in denen das Internet so wackelig ist wie die politischen Versprechen. Während in Berlin über Digitalisierung philosophiert wird, ist in zahlreichen Dörfern durch fehlende Vernetzung keinerlei Wirtschaft anzusiedeln. Das ist kein Fortschritt – es ist Stillstand, verziert durch politische Abgehobenheit.
Letztlich wird diesem Unfug die Krone aufgesetzt: die politische Diskussion über ein soziales Pflichtjahr für Senioren. Menschen, die dieses Land aufgebaut haben, sollen im Alter noch einmal dienen – nicht freiwillig, nicht aus Freude, sondern aus Zwang. Wer so etwas fordert, tritt die Lebensleistung von Millionen mit Füßen. Das ist keine Anerkennung, sondern eine doppelte Ohrfeige: Rentnerinnen und Rentner kämpfen schon heute um die Finanzierung ihrer Grundbedürfnisse. Gleichzeitig müssen sie auch noch zusehen, wie diese Politiker, die ihnen solche Zumutungen abverlangen, selbst üppige Pensionen kassieren – ohne je auch nur einen Cent eingezahlt zu haben!
Genau hier zeigt sich, wie weit sich Politik von der Wirklichkeit entfernt hat. Während oben Reden geschwungen werden, kämpfen unten die Menschen ums Überleben. Während Politiker über Programme und Zahlen sinnieren, fragen sich Familien, wie sie den Einkauf bezahlen sollen. Das erinnert mich an den Herbst 1989, als die da oben 40 Jahre DDR feierten, aber die Realität der Bevölkerung nicht zur Kenntnis nahmen.
Der Tag der Deutschen Einheit sollte uns deshalb nicht nur an das Ende der Mauer erinnern. Er sollte uns mahnen, dass sich neue Mauern auftürmen – Mauern zwischen arm und reich, zwischen Stadt und Land, zwischen Politikern, die auf Basis ihrer gesicherten Privilegien leben, und jenen, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen. Solange Familien die Preise nicht mehr stemmen können, solange junge Menschen ihre Zukunft in Frage stellen und Rentnerinnen Strickjacken statt Heizungen vorziehen, ist dieser Feiertag nur ein leerer Rahmen. Doch die Unzufriedenheit wächst Tag für Tag. Im Osten stärker als im Westen. Aber im Westen wächst sie auch, das werden wir bei der nächsten Landtagswahl sehen!“

